Wien, Rotterdam, Berlin: Kirill Krasovskis Filme laufen auf einigen der größten Filmfestivals Europas. 2022 hat der 1982 in der UdSSR geborene Filmproduzent die Produktionsfirma Blue Monticola Film mit Sitz in Magdeburg gegründet. Ein Gespräch über Erfolge, Herausforderungen – und was den Filmstandort Sachsen-Anhalt so besonders macht.
Wie sind Sie zur Filmbranche gekommen?
Kirill Krasovski: Ich habe an der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin Filmproduktion studiert. Im Studium habe ich meine ersten Filme produziert und auf Festivals gezeigt. Mein Abschlussfilm „Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes“ vom Regisseur Julian Radlmaier lief auf Filmfestivals in Rotterdam und Berlin und hat den Preis der deutschen Filmkritik für das beste Debüt gewonnen, kam im gleichen Jahr erfolgreich ins Kino.
Wie ging es dann für Sie weiter?
Ein paar Jahre war ich Produktions- und Herstellungsleiter bei verschiedenen Filmen. Dann habe ich 2019 meine erste Firma in Berlin gegründet, die ein paar erfolgreiche Filme produziert hat – „Blutsauger“ von Julian Radlmaier und „Music“ von Angela Schanelec. Im Sommer 2022 habe ich in Magdeburg die Produktionsfirma Blue Monticola Film gegründet.
Wieso haben Sie sich gerade für Magdeburg als Standort entschieden – und nicht etwa für typische deutsche Filmstädte wie München oder Berlin?
Die ursprüngliche Entscheidung hatte persönliche Gründe. Die Konkurrenz an großen Standorten kenne ich aus Berlin nur zu gut, und ich genieße die entspannte Atmosphäre in Magdeburg und Sachsen-Anhalt. Es gibt nicht hunderte von Produktionsfirmen in einer Stadt, sondern es verteilt sich. Man studiert an einem Ort, arbeitet an einem anderen und lässt sich dann vielleicht ganz woanders nieder. Zwischen diesen kleineren Standorten ist über die Zeit ein Netzwerk entstanden, das ich sehr schätze. Die kreative Energie, aber auch die Möglichkeit, mit Quereinsteigern und Filminteressierten zu arbeiten, ist toll. Es ist gut, wenn Filmschaffende in der Region bleiben können, und je mehr Firmen in diesem Bereich entstehen, desto mehr profitieren die Städte und das Bundesland davon. Der einzige Nachteil ist das Thema Personal: Die Erfahrung, was die Filmproduktion betrifft, kann man kaum irgendwo studieren. Das sind alles sehr praktische Fähigkeiten. Auch deshalb ist es wichtig, dass sich noch mehr Firmen in der Region ansiedeln.
Ihre Filme wurden auf zahlreichen Festivals gezeigt und haben Preise gewonnen. Was ist Ihr Erfolgsrezept?
Ein Faktor ist sicher die Art, wie wir arbeiten. Wir machen keine 20 Filme im Jahr, sondern vielleicht zwei und suchen uns die zwei Projekte, die wir im Jahr umsetzen, genau aus. Wir haben nicht so viel Personal – das befreit uns vom wirtschaftlichen Druck, Projekte machen zu müssen, die wir nicht machen wollen. Wir arbeiten im Arthouse-Bereich, da haben wir nicht die Etats, um viel Geld in die Vermarktung unserer Filme zu investieren. Deswegen sind Erfolge auf Festivals für uns sehr wichtig, auch die Presse oder die Filmkritik spielen eine große Rolle. Für das Publikum, das sich für das Autorenkino interessiert, bedeuten die Festivals und Auszeichnungen sehr viel.
Sie haben unter anderem Fördermittel der Mitteldeutschen Medienförderung MDM bekommen, sind in diesem Jahr Teil der Initiative MEDIAstart für Gründerinnen und Gründer in der Kreativbranche. Wie wichtig sind solche Fördermöglichkeiten?
Diese Möglichkeiten sind essenziell. Die MDM zum Beispiel fördert nicht nur finanziell die konkreten Projekte, sondern unterstützt auch Festivals, Seminare und Talentpools. Das ist für die Bundesländer, in denen die MDM arbeitet – Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen – eine entscheidende Struktur. Durch die Gründerinitiative MEDIAstart komme ich außerdem in Kontakt mit vielen anderen Filmschaffenden aus allen Ecken des Landes und kann mein Netzwerk erweitern. Ich finde es gut, dass Sachsen-Anhalt sehr engagiert für die Produktionslandschaft ist und ihre Mittel nicht kürzt, wie das in manch anderen Bundesländern der Fall ist. Das ist eine wichtige kulturpolitische Entscheidung.
Sie fokussieren sich auf Produktion von Spiel- und Dokumentarfilmen für den internationalen Markt. Wie wählen Sie Ihre Projekte aus? Welche Themen interessieren Sie besonders?
Ich interessiere mich vor allem für das Gesamtpaket: die Geschichten, die erzählt werden, aber auch für die Personen, die diese Geschichten schreiben. Wir produzieren verschiedene Genres, aktuell etwa einen Dokumentarfilm in der Ukraine, bereiten uns parallel auf einen Spielfilm in Sangerhausen in Sachsen-Anhalt vor. Die beiden Projekte erfordern zwei komplett unterschiedliche Arbeitsweisen, aber beide werden ganz wunderbare cineastische Werke mit erkennbarer Handschrift. Das ist mir wichtig.
Sie arbeiten gezielt mit Filmschaffenden aus Mitteldeutschland zusammen. Welche Erfahrungen haben Sie dabei bisher gemacht?
Mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem mitteldeutschen Raum arbeite ich schon lange zusammen und schätze sie sehr. Sachsen-Anhalt ist in der Branche bekannt für Expertise in der Postproduktion, und alle, die ich in diesem Feld bisher kennengelernt habe, sind sehr professionell und kundenorientiert.
Was zeichnet Sachsen-Anhalt als Filmstandort aus?
Sachsen-Anhalt hat viel unentdecktes Potenzial. Das sind nicht nur Menschen, sondern auch Orte. Es gibt so viele außergewöhnliche Locations, die noch nicht gezeigt wurden. Darin liegt eine große Chance. Wenn es kulturpolitisch so weitergeht wie bisher, bin ich sehr hoffnungsvoll, dass in den kommenden Jahren noch viel passiert.
Was ist Ihr Ratschlag an Filmschaffende aus Sachsen-Anhalt?
Ich kann alle nur ermutigen, Filme zu machen. Egal ob es um das Schreiben, das Schneiden oder das Produzieren geht. Die technischen Möglichkeiten erlauben es heute, ohne zu großen finanziellen Aufwand kleinere Projekte umzusetzen. Die Ausbildung an den Filmschulen ist nach wie vor die beste Möglichkeit, schon während des Studiums ein paar Filme zu drehen und verschiedene Erzählformen und -formate auszuprobieren. Auch die Angebote für die Aus-und Weiterbildung im Filmbereich sind in der Region vorhanden, ebenso internationale Programme und Stipendienaufenthalte, Film Labs und Trainingsplattformen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Einige Projekte lassen sich zu zweit oder zu dritt gut umsetzen, andere brauchen etwas mehr Mittel. Deshalb hoffe ich, dass die Filmförderung weiter ausgebaut wird und dass Sachsen-Anhalt weiterhin Mittel in die Medienbranche investiert. Denn das schafft auch Anreize für Unternehmen aus der Branche, sich hier niederzulassen.
Foto: Blue Monticola Film und Timon Ott