Wer sich in Magdeburg für Kunst interessiert, kommt an Christoph Ackermann kaum vorbei. Der Diplom-Designer und bildende Künstler über die Arbeit zwischen den Disziplinen, die Potenziale Künstlicher Intelligenz und die Bedeutung künstlerischer Bildung für Kinder und Jugendliche.
Die Weichen für Christoph Ackermanns Karriere waren früh gestellt: 1979 in Magdeburg geboren, kam er als Teenager in den frühen 90er Jahren zur Graffiti-Kunst, studierte später Produktdesign in Magdeburg. Nach seinem Diplom als Designer wagte er 2004 nach einem Kurs für Existenzgründer den Schritt in die Selbstständigkeit. 2023 wurde Ackermann mit dem Preis der Kunststiftung Sachsen-Anhalt ausgezeichnet. Aus der Magdeburger Kunstwelt ist er nicht mehr wegzudenken – und gibt sein Wissen an die jüngeren Generationen weiter.
Wenn man Sie als Künstler kennenlernen möchte: Wo fängt man am besten an?
Christoph Ackermann: Gute Frage. Wenn man mich nicht zufällig oder auch gezielt bei Ausstellungen besucht, dann ist mein Atelier wohl der geeignetste und beste Ort. Auf dem Weg dahin könnte man die Elb.Galerie Magdeburg passieren – eine Galerie im öffentlichen Raum für urbane Kunst direkt an der Elbe, die der Q.Hof Kunstverein initiiert hat und für die ich einige Wandbilder gemalt habe. Ansonsten stelle ich aktuell bei der diesjährigen „generell frisch“-Ausstellung vom Berufsverband Bildender Künstler Sachsen-Anhalt e.V. im Kloster Ilsenburg aus. An dieser Ausstellung habe ich dieses Jahr als Kurator mitgewirkt.
Laut Ihrer Website beschäftigen Sie sich mit „abstrakter zeitgenössischer Kunst, Grafik, Kalligraphie, sowie der Fotografie“. Außerdem sind Sie seit Langem der Graffiti-Kunst verbunden. Haben Sie eine Lieblings-Kunstform?
Nein. Diese unterschiedlichen künstlerischen Disziplinen sind ein Plus für mein Schaffen als bildender Künstler. Vielseitigkeit, interdisziplinäre Ansätze und Selbsterkenntnis machen meine Arbeit aus. Und sie ermöglichen es mir, eine Vielzahl von Gedanken und Emotionen auf authentische Weise zu kommunizieren.
Dies erweitert meine künstlerische Perspektive, meinen Horizont und mein Verständnis von kreativen Prozessen.
2015 haben Sie die Ateliergemeinschaft Q. in Magdeburg mitgegründet, sind seit 2023 Erster Vorsitzender des Q.Hof Kunstvereins. Was macht den Q.Hof aus?
Der Q.Hof befindet sich in einer alten Fabrikhalle auf dem Gelände des werk4 n Magdeburg im Stadtteil Buckau. Hier entstanden in zwei Jahren Bauzeit auf 242 m² fünf Ateliers, die nun Künstler der verschiedensten Kunstgattungen seit November 2015 nutzen. Wir haben hier eine Art Künstler-WG gegründet: Die Ateliers, jedes um die 50 m² groß, haben zwar Wände, sind aber nach oben offen. Vor den Ateliers haben wir in der Halle einen großen Galeriebereich, den wir für interne und externe Ausstellungen nutzen. Im vergangenen Jahr haben wir letztlich für unsere Kunstprojekte den „Q.Hof Kunstverein“ gegründet.
Dieses Frühjahr haben Sie in der Magdeburger Elbfabrik Kunst ausgestellt, die Sie mithilfe Künstlicher Intelligenz geschaffen haben. Was hat Sie bewogen, Kunst mit KI zu machen?
Mit KI bin ich, wie viele andere auch, zuerst über Textsoftware wie ChatGPT und Neuroflash in Berührung gekommen. Da habe ich schnell festgestellt, wie viel Arbeit die KI mir abnehmen kann, mich aber auch gefragt: Wie kann ich diese Möglichkeit nutzen, ohne blind darauf zu vertrauen? So habe ich einen recht aufgeschlossenen und aufgeklärten Umgang mit KI entwickelt. Als die Anfrage für die Ausstellung kam, war ich sehr gespannt, was KI mit meiner Kunst anstellen kann. Ich habe Grafiken, die ursprünglich von Hand entstanden sind, zuerst mit Adobe Illustrator bearbeitet – wenn man es genau nimmt, ist das ja schon der erste Punkt, an dem Technik etwas für mich als Künstler macht, wenn ich zum Beispiel einen Farbverlauf digital einfüge. Die bearbeiteten Grafiken haben wir dann mittels KI in Bewegungsformen umgesetzt. Ich betrachte KI als nützliche Assistenz. Sie kann eine entscheidende Rolle in meinem kreativen Prozess spielen, mich auf vielfältige Weise unterstützen und meine Möglichkeiten erweitern – wenn ich es zulasse.
Sehen Sie auch Risiken?
Natürlich. Mich interessieren dabei sehr die Themen Urheberrecht und geistiges Eigentum, aber auch Fragen von Authentizität, künstlerischer Vielfalt, Manipulation und Täuschung. Wie geht von einer KI geschaffene Kunst mit Kritik und Diskurs um? Salopp gesagt: Man drückt auf einen Knopf, eine KI spuckt ein abstraktes Bild aus. Dieses Bild lässt sich kostengünstig vervielfältigen und verkaufen. Ist das gut für die Kunst? Ähnlich ist es in der Musik, wo ganze Alben hergestellt werden, auf denen eine KI Stimmen imitiert. Inwieweit hat Kunst da noch einen Wert? Wer eine Ausstellung besucht, kann mit Künstlerinnen und Künstlern ins Gespräch kommen, erfahren, was hinter einem Werk steckt. Wenn ein Objekt zu 100 Prozent von einer KI kommt, fällt das weg. Ich bin gespannt, wie sich das in den nächsten Jahren entwickelt. Wie reagieren die Menschen und letztendlich der Markt darauf? Oder bleibt nach wie vor der Wunsch nach dem „Original“?
Sie arbeiten seit Langem mit Schulen, Hochschulen und Jugendeinrichtungen zusammen. Begleitet das Thema KI Sie auch dort?
Ganz gewiss. Ich unterrichte seit August im Fachbereich Bildende Kunst am Internationalen Stiftungsgymnasium in Magdeburg. Die Schülerinnen und Schüler nutzen natürlich auch ChatGPT, etwa für Hausarbeiten. Ich versuche, sie zu sensibilisieren: Lest euch durch, was die KI schreibt. Forscht nach. Stimmt das, was da steht, und kennt ihr die Fachbegriffe, die die KI verwendet? Ich will vermitteln, dass das ein enorm nützliches Tool ist – aber nur, wenn man damit umgehen kann.
Sie bieten auch Workshops zu Urban Art und Fotografie an. Was macht Ihnen an dieser Arbeit am meisten Spaß?
Die Begegnung mit den Kindern und Jugendlichen, die Zusammenarbeit, ist für mich gar nicht mehr wegzudenken. Weil ich direkt aus der Praxis komme, kann ich viele Inhalte ganz anders vermitteln. Ich liebe es, zu sehen, wie die Kinder und Jugendlichen Wissen aufnehmen, für sich verarbeiten und weiterentwickeln. Es ist immer wieder spannend, was sie daraus machen, welche Hinweise oder Ratschläge sie übernehmen. Außerdem berate ich von Schülerinnen und Schülern gegründete Firmen. Da gebe ich das Wissen aus dem Existenzgründerkurs weiter, aber auch meine eigene Erfahrung als freischaffender Künstler. Wir sprechen zum Beispiel über Produktfotografie, Logoentwicklung und Grafik, Patentrechte, aber auch über Steuern. Es ist toll, gemeinsam mit den jungen Menschen Projekte zu entwickeln – und die sind natürlich enorm dankbar.
Was betrachten Sie als Ihren pädagogischen Auftrag?
Praxisbezogene ästhetische Bildung, ein gutes Kunstverständnis sowie die Transformation künstlerischer Kompetenzen sind mir ein besonderes Anliegen. Eine Frage, die ich gerne stelle, ist: Wenn wir heute keinen Strom hätten, womit könnten wir arbeiten? Da gibt es oft Defizite, weil Arbeit ohne Digitales oder andere Elektronik heute im Alltag der Kinder und Jugendlichen nicht mehr unbedingt vorkommt. Und wenn sie nach einem Projekt Farbe an den Fingern und der Kleidung haben, ist das ein richtig gutes Gefühl. Beim Thema Fotografie bringe ich gerne alte und neue Kameras mit, erkläre, was eine Belichtungszeit und eine Blende ist. Ich nutze Beispiele aus der Biologie wie das menschliche Auge. Beim Thema Druckkunst kann man historische Bezüge herstellen: Wieso haben Menschen angefangen, Kunstwerke und Schriften zu vervielfältigen? Am Ende geht es um Wissensvermittlung, Identitätsentwicklung und kreatives Ausdrucksvermögen.
Sie haben mehr als 30 Jahren Erfahrung als Designer und bildender Künstler. Was ist Ihr Rat an alle, die Kunst zum Beruf machen wollen?
Essenziell ist, dass die Schaffung von Kunst als individuellen Ausdruck zu betrachten. Kunst sollte primär für das eigene Wohlbefinden und die persönliche Entfaltung geschaffen werden, nicht nach externen Erwartungen oder gesellschaftlichen Normen. Ich glaube: Wenn man sich selbst treu bleibt, kommt auch der Erfolg.
Dann gibt es den pragmatischen Aspekt. Der Existenzgründerkurs hat mir geholfen, ebenso das Fach Designmanagement im Studium. Denn: Am Anfang ist man sein eigener Steuerberater, Versandhändler und Lagerist. Was man auch nicht übersehen sollte: Berufsverbände wie der BBK unterstützen und helfen dabei, Gleichgesinnte zu finden.
Was steht als Nächstes für Sie an? Haben Sie schon neue Projekte im Blick?
Aktuell haben wir im Q.Hof eine Solo-Ausstellung von Frank Borisch, die wir vom Q.Hof Kunstverein mitbetreuen. Außerdem werden dieses Jahr noch zwei bis drei Wandbilder an der Elb.Galerie gestaltet. Das nächste langfristige Projekt steht auch schon an: Im März 2025 kuratiere ich die dritte Ausstellung zum Tag der Druckkunst. Da beginnt jetzt die Planung: Wo beantragen wir Fördergelder, welche Künstlerinnen und Künstler laden wir ein?
Mehr zu Christoph Ackermann und seiner Arbeit gibt es auf www.christophackermann.com.